Im Rahmen der Unfallversicherung sind Leistungsansprüche ausgeschlossen, wenn der Unfall sich als Folge einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung ereignet hat. Doch ist dies stets dann der Fall, wenn der verunglückte Fußgänger eine hohe Blutalkoholkonzentration aufweist? In einer Entscheidung aus der jüngeren Vergangenheit hat das OLG Köln dazu Stellung genommen, wie mit solchen Fallkonstellationen zu verfahren ist (OLG Köln Urteil vom 28.09.2012 – Aktenzeichen: 20 U 107/12). Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zu Grunde:
Ein Fußgänger war im alkoholisierten Zustand im Straßenverkehr verunglückt. Bei ihm wurde ein BAK-Wert von 1,9 Promille festgestellt. Unter Hinweis darauf lehnte die Unfallversicherung es ab, für die dauerhaft verbleibenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu zahlen. Dies akzeptierte der Versicherungsnehmer jedoch nicht. Er behauptete einen so genannten Sturztrunk unmittelbar vor dem Unfallzeitpunkt. Aufgrund dieses Sturztrunks sei aber der Alkohol noch nicht vollständig in sein Blut gegangen, als es zum Unfall kam. Aus diesem Grunde könne man nicht aus dem erst zwei Stunden nach dem Unfall festgestellten BAK-Wert darauf schließen, dass er zum Unfallzeitpunkt alkoholbedingt absolut verkehrsuntüchtig gewesen sei.
Grundsätzlich gilt im Bereich der Unfallversicherung, dass bei einem Verkehrsteilnehmer dann, wenn er bei einem Unfall im Straßenverkehr alkoholbedingt absolut fahruntüchtig war, versicherungsrechtlich stets von einer leistungsausschließenden alkoholbedingten Bewusstseinsstörung auszugehen ist. Der Versicherungsnehmer hat in diesen Fällen keine Möglichkeit, einen Gegenbeweis anzutreten. Unterhalb der Grenze der absoluten Verkehrsuntüchtigkeit (diese liegt für Fußgänger bei 2,0 Promille) setzt die Annahme der alkoholbedingten Bewusstseinsstörung weiter voraus, dass entweder alkoholtypische Ausfallerscheinungen vorliegen oder das festgestellte verkehrswidrige Verhalten typischerweise alkoholbedingt ist. In diesen Streitfällen muss die Unfallversicherung darlegen und beweisen, dass der Versicherungsnehmer an einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung litt. Für den Nachweis der Alkoholisierung genügt es jedoch grundsätzlich, wenn die Unfallversicherung sich auf einen im Ermittlungsverfahren festgestellten BAK-Wert beruft.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze war im Fall des OLG Köln zunächst im ersten Schritt unzweifelhaft davon auszugehen, dass bei dem Versicherungsnehmer eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorlag: es war ein BAK-Wert knapp unterhalb der Grenze der absoluten Verkehrsuntüchtigkeit im Ermittlungsverfahren festgestellt worden. Hinzu kam ein grob verkehrswidriges Verhalten des Versicherungsnehmers, der trotz eines nahenden Kraftfahrzeugs bei Dunkelheit eine Straße zu überqueren versucht hatte, so dass es zur Kollision kam.
Allerdings war der BAK-Wert erst um 20:15 Uhr festgestellt worden, während der Unfall sich bereits um 18:00 Uhr ereignet hatte. Aus diesem Grunde stellte der Versicherungsnehmer sich auch auf den Standpunkt, dass zur Zeit des Unfalls keine absolute Verkehrsuntüchtigkeit vorgelegen haben könne. Jedenfalls könne man aus dem um 20:15 Uhr festgestellten äußerst hohen BAK-Wert nicht zwangsläufig auf eine solche Verkehrsuntüchtigkeit zum Unfallzeitpunkt schließen.
Dieser Argumentation folgte das Oberlandesgericht Köln aus Beweisgrundsätzen nicht:
Wer sich gegenüber den objektiven Feststellungen (hoher BAK-Wert und grob verkehrswidriges Verhalten) auf einen erst nach dem Unfall stattgefundenen so genannten Nachtrunk beruft, sei nach einschlägiger Rechtsprechung hierfür beweispflichtig. Dies entspreche dem allgemeinen Grundsatz im Bereich der Unfallversicherung, dass derjenige, welcher trotz objektiv festgestellter Fahruntüchtigkeit das Vorliegen eines Leistungsausschlusses bestreitet, dieses auch zu beweisen hat. Das OLG Köln weist darauf hin, dass dieses genau so auch für einen angeblichen Sturztrunk vor dem Unfall gilt. Der Versicherungsnehmer hatte in diesem Zusammenhang behauptet, er habe erst unmittelbar vor dem Unfall eine Flasche trockenen Weißwein getrunken. Allerdings hatte der Versicherungsnehmer im Rechtsstreit trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts für diesen von ihm behaupteten Sturztrunk keinen Beweis angetreten.
Schon aus diesem Grunde kam es auf weitere sachverständige Feststellungen über die Wirkung eines Sturztrunks in der so genannten Anflutungsphase im Vergleich zu den alkoholbedingten Bewusstseinsstörungen in der Abbauphase letztlich nicht mehr an. All diese Erwägungen können nur dann zum Zuge kommen, wenn der Versicherungsnehmer den von ihm behaupteten Sturztrunk unmittelbar vor einem Unfall substantiiert darlegt und hierfür auch Beweis antritt.
Zusammenfassend gilt der – allerdings auch durchaus berechtigte – Grundsatz: wenn Alkohol im Spiel ist, hat der Versicherungsnehmer in einer rechtlichen Auseinandersetzung mit der Unfallversicherung wesentlich höhere Hürden zu meistern, willer letztlich zum Erfolg kommen. Es zeigt sich daher, dass der Genuss von Alkohol auch im Rahmen einer versicherungsrechtlichen Streitigkeit letztlich zum Verhängnis werden kann.
Ob dies aber auch in Ihrem konkreten Fall so sein muss oder nicht, sollten Sie in jedem Falle von unabhängigen Fachleuten daraufhin überprüfen lassen, ob unter Zugrundelegung der oben skizzierten Darlegungs- und Beweisgrundsätze gleichwohl die Möglichkeit besteht, einen Rechtsstreit mit Ihrer Unfallversicherung erfolgreich zu gestalten.
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