Versicherungsprämien errechnen sich unter anderem nach dem versicherten Risiko. Im Bereich der Berufshaftpflichtversicherung der Architekten bemisst sich das versicherte Risiko an der Höhe des Jahresnettohonorars des Architekten. Aus diesem Grunde sind Architekten regelmäßig verpflichtet, ihrem Berufshaftpflichtversicherer Mitteilung darüber zu machen, ob und welche Änderungen sich in dem versicherten Risiko gegenüber den zuletzt gemachten Angaben ergeben haben. Anhand dieser mitgeteilten Veränderungen erfolgt die Beitragsabrechnung. Weil aus diesem Grunde die Berufshaftpflichtversicherer auf die entsprechenden Angaben der versicherten Architekten angewiesen sind – andererseits aus der Sicht der Architekten eine gewisse Verlockung besteht, durch Angabe von niedrigeren Honorarumsätzen die Prämie im eigenen Sinne anzupassen, vereinbaren die Berufshaftpflichtversicherer der Architekten in ihren Versicherungsbedingungen regelmäßig Vertragsstrafen für den Fall, dass der Architekt unrichtige Angaben zur Beitragsabrechnung macht oder aber diese Angaben vollständig unterlässt. In einer noch relativ jungen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 30.05.2012, Aktenzeichen: IV ZR 87/11) wurde diese Praxis zum Nachteil der Berufshaftpflichtversicherer zumindest in Teilen für unrechtmäßig erklärt:
Im zu beurteilenden Fall war nämlich für unrichtige oder unterlassene Angaben zur Beitragsabrechnung eine Vertragsstrafe in fünffacher Höhe des festgestellten Beitragsunterschieds in den Bedingungen vereinbart. Dem Architekten blieb in diesem Falle nach den Vertragsbedingungen nur noch die Möglichkeit, nachzuweisen, dass die unrichtigen Angaben ohne vertretbares Verschulden gemacht worden sind – ein durchaus schwierig zu führender Nachweis! Der beklagte Architekt hatte einen deutlich gesteigerten Jahresnettoumsatz nicht mitgeteilt. Der klagende Berufshaftpflichtversicherer machte – nachdem er wegen eines Haftpflichtfalles Kenntnis von dem deutlich gestiegenen Honorarumsatz erhalten hatte – Beitragsnachforderungen in Höhe von 4275,44 € sowie eine Vertragsstrafe in Höhe von 21.287,20 € jeweils zuzüglich Versicherungssteuer geltend. Der Architekt sah sich einer Forderung von insgesamt 30.398,19 € ausgesetzt.
Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: der Berufshaftpflichtversicherer hatte in allen drei Instanzen das Nachsehen – wenn auch mit unterschiedlichen Begründungsansätzen!
Hatte die Vorinstanz die Vertragsstrafenregelung noch mit der Begründung für unwirksam erklärt, dass diese von den gesetzlichen Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes über die Gefahrerhöhung (§§ 23 ff. VVG a.F.) abweiche und deshalb gemäß § 34 a VVG a.F. unwirksam sei, kam der Bundesgerichtshof auf anderem Wege zum gleichen Ergebnis:
Das Gericht stellte nämlich fest, dass die streitgegenständliche Vertragsstrafenregelung des Berufshaftpflichtversicherers den Architekten unangemessen benachteilige und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB – also AGB-rechtlich – unwirksam sei.
Unwirksam sei nämlich die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe. Zwar sei es gerade Sinn und Zweck einer Vertragsstrafenvereinbarung, dass sie einen gewissen Druck ausüben und dadurch zur Einhaltung der vertraglichen Vereinbarung anhalten solle. Auch solle dadurch eine gewisse Kompensation für die Nichteinhaltung der vertraglichen Vereinbarung bewirkt werden.
Allerdings müsse eine Vertragsstrafenvereinbarung, welche im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen (und bei Versicherungsbedingungen handelt es sich um solche allgemeinen Geschäftsbedingungen!) gestellt werde, auch die Interessen des Vertragspartners – hier also des versicherten Architekten – ausreichend berücksichtigen.
Der Bundesgerichtshof stellt darauf ab, dass die Höhe einer Vertragsstrafe dann nicht mehr angemessen ist, wenn die Vertragsstrafe außer Verhältnis zum Gewicht des Verstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner steht. Durch die Vertragsstrafe muss also ein gewisses Verhältnis zum möglichen Schaden gewahrt bleiben, der durch das mit der Vertragsstrafe geahndete Verhalten des Versicherungsnehmers ausgelöst wird.
Im Folgenden stellte der Bundesgerichtshof darauf ab, dass die Folgen der unrichtigen oder unterlassenen Angaben zur Beitragsberechnung sich im konkreten Falle darauf beschränken, dass der Berufshaftpflichtversicherer an der zutreffenden Berechnung seines Prämienanspruchs gehindert werde und ihm dadurch eine Prämiendifferenz entgehen könne. Da dies die einzige Folge unrichtiger oder unterlassener Angaben sei, müsse sich auch die Vertragsstrafe in einem gewissen Verhältnis zu dem Prämienvorteil bewegen, den sich der versicherte Architekt erschlichen habe. Das aber sei bei einer Vertragsstrafe in fünffacher Höhe des festgestellten Beitragsunterschieds nicht der Fall. Dies insbesondere deshalb, weil der Differenzbetrag ohnehin nacherhoben werde. Der Bundesgerichtshof weist wie auch das Berufungsgericht darauf hin, dass schon bei einem Anstieg des Jahresnettoumsatzes des Architekten von lediglich 20 % eine Vertragsstrafe in Höhe von einer vollen Jahresprämie zu zahlen wäre.
Der Bundesgerichtshof lässt dahinstehen, in welcher Höhe eine Vertragsstrafe noch angemessen wäre. Er verweist lediglich auf die Diskussion für andere Versicherungssparten, für welche beispielsweise eine Vertragsstrafe in Höhe des dreifachen Beitragsunterschieds oder auch nur bis zum Doppelten der Prämiendifferenz diskutiert wird. Auf das Ergebnis dieser Diskussion kam es für den konkreten Falle jedoch nicht an: weil der in concreto vereinbarte fünffache Betrag der Prämiendifferenz die Grenzen der Angemessenheit überschreitet, ist die Vertragsstrafenregelung insgesamt nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Sollten auch Sie sich einer solchen Forderung ausgesetzt sehen, scheuen Sie sich nicht, sich zur Wehr zu setzen! Sichern Sie sich auf jeden Fall fachliche Unterstützung bei der Prüfung der Bedingungen Ihres Berufshaftpflichtversicherungsvertrags.
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