Muss sich ein Rettungsassistent nach dem Erwerb entsprechender Zusatzqualifikationen vom Berufsunfähigkeitsversicherer auf die Tätigkeit als Restaurantmeister verweisen lassen – mit der Folge, dass die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente eingestellt werden darf? Er muss – nach einer jüngeren Entscheidung des Landgerichts Aurich (AZ.: 3 O 724/10 vom 31.05.2011).
Das Landgericht entschied, dass die Tätigkeit als Restaurantmeister eine der (zwischenzeitlich erworbenen) Ausbildung und Erfahrung sowie der bisherigen Lebensstellung entsprechende Berufstätigkeit darstellt, so dass die Verweisung des vormaligen Rettungsassistenten darauf durch den Berufsunfähigkeitsversicherer zulässig ist. Folge der zulässigen Verweisung auf eine vergleichbare Berufstätigkeit ist, dass der Versicherungsnehmer nicht mehr berufsunfähig ist, so dass die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente zurecht eingestellt wird.
Das Landgericht verweist insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach wird die maßgebende Lebensstellung bei der Frage der Verweisung vor allem durch die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit geprägt. Es muss konkret festgestellt werden, welche Anforderungen die bisherige Tätigkeit an den Versicherten stellte, welche Fähigkeiten sie voraussetzte, welches Einkommen sie sicherte und wie sich die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten real darstellten. Eine vergleichbare Berufstätigkeit mit der Folge der Verweisung sei danach dann gefunden, wenn die neue Berufstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordere und in ihrer Vergütung wie in ihrer Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinke.
Übt der Versicherte bereits eine neue Beschäftigung aus – will er gleichwohl jedoch geltend machen, dass diese Tätigkeit nicht seiner bisherigen Lebensstellung entspräche, so müsse er diese entsprechenden Umstände vortragen und im Bestreitensfalle auch beweisen.
Obwohl auf den ersten Blick zwischen der Tätigkeit des Rettungsassistenten – angestellt im öffentlichen Dienst – und der eines Restaurantmeisters zunächst keine offenkundige Vergleichbarkeit vorliegt, kommt das Landgericht gleichwohl zur Annahme einer vergleichbaren Berufstätigkeit und damit zulässigen Verweisung, nachdem es die jeweiligen Berufe exakt unter Lupe genommen hat:
Allein der Umstand, dass die neue Tätigkeit nicht mehr im öffentlichen Dienst erfolgt, helfe dem Versicherungsnehmer nicht. Die Aufnahme einer Tätigkeit ohne die Absicherung des öffentlichen Dienstes sei dem Versicherten grundsätzlich zuzumuten.
Auch müsse der Versicherungsnehmer geringfügige Einbußen im Bereich des Einkommens in Kauf nehmen. Im konkreten Fall hatte der Versicherungsnehmer als Rettungsassistent ein jährliches Bruttoeinkommen von 24.000 €, wohingegen er in seiner aktuellen Tätigkeit ca. 18.000 € (brutto) jährlich verdient. Dies sei nach der Auffassung des Landgerichts hinzunehmen, wobei im besonderen Fall auch die üblichen und deshalb mit zu berücksichtigenden Trinkgeldeinnahmen ins Gewicht fielen.
Auch könne ein sozialer Abstieg nicht festgestellt werden. Gerade auf diesen Aspekt verwendet das Landgericht einigen Begründungsaufwand: maßgebend für die soziale Wertschätzung eines Berufs sei dessen gesellschaftliche Bedeutung, die damit verbundene Vertrauens- oder Vorgesetztenstellung, die Selbständigkeit der Tätigkeit sowie der erforderliche Grad der Ausbildung. Danach sei der Beruf des Restaurantmeisters durchaus sozial vergleichbar: ein „Meister“ arbeite selbständig und erledige Führungsaufgaben – im Gegensatz zum in der Regel weisungsgebundenen „Assistenten“. Auch sei die Ausbildung aufwändiger.
Auch das konkrete Bild der Berufstätigkeit sei nicht geringer zu bewerten, weil der Restaurantmeister weniger körperlich schwere Arbeiten verrichte. Sein Tätigkeitsspektrum sei nicht weniger umfangreich und nicht weniger verantwortungsvoll. Das Landgericht bemühte dafür unter anderem die Aufgabenbeschreibung der Agentur für Arbeit.
Fazit: in versicherungsrechtlicher Hinsicht sind sich Rettungsassistenten und Restaurantmeister weitaus näher als so mancher unbefangener Beobachter vermutet hätte! Deshalb: lassen Sie Ihre Aussichten bei einer eventuellen Streitigkeit überprüfen! Besser noch: sichern Sie sich Rat schon beim Abschluss von langfristigen Versicherungsverträgen – gerade wenn diese die Existenz im Falle eines Falles sichern sollen. Konkret: es gibt die Möglichkeit, dass Versicherer auf die Verweisung auf vergleichbare Berufstätigkeit verzichten – dieser Aspekt muss nur rechtzeitig thematisiert werden!
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